Der Kanton Bern darf sich nicht an einem der Mobility-Pricing-Versuche beteiligen, die der Bundesrat in mehreren Schweizer Regionen durchführen möchte. Das hat der bernische Grosse Rat entschieden.
Er nahm am Mittwoch eine entsprechende Forderung der BDP relativ knapp an, nämlich mit 79 zu 70 Stimmen. Die genau gegenläufige Forderung aus den Reihen der GLP, der Grünen und der EVP, nämlich dass der Kanton Bern an einem Versuch Interesse signalisieren solle, lehnte er mit 80 zu 68 Stimmen ab.
Der Kanton Bern muss nun dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) von Bundesrätin Leuthard mitteilen, dass der Kanton Bern kein Interesse an einem Pilotversuch mit Mobility Pricing im Grossraum Bern hat.
Während Road Pricing ein Ansatz ist, mit Gebühren den Strassenverkehr besser zu lenken oder auf den öffentlichen Verkehr zu verlagern, bezieht Mobility Pricing auch den öffentlichen Verkehr mit ein.
Mobility Pricing zielt also etwa auch darauf ab, mit teureren Billetten zu den Spitzenzeiten die Verkehrsspitzen zu glätten und so für mehr Platz in Zügen, Bussen und Trams zu sorgen.
Die Argumente gegen die Teilnahme des Kantons Bern an einem Mobility-Pricing-Versuch lauteten am Mittwoch im Berner Rathaus, Bern habe kein Geld für solche Sachen. Es drohten Stadt-Land-Gräben. Und wenn es ein Pilotprojekt brauche, dann ein nationales, keine regionalen.
Die Befürworter hielten dem entgegen, der Staat könne im Kampf um eine funktionierende Mobilität nicht immer wieder Strassen und die Bahn ausbauen. Es gehe um Intelligenz statt Beton. Der Kanton Bern als kleine Schweiz eigne sich sehr gut für einen Versuch. Sonst werde er auf diesem Gebiet auch abgehängt.
Ende Juni dieses Jahres hatte Bundesrätin Doris Leuthard bekanntgegeben, der Bundesrat wolle mit interessierten Kantonen und Gemeinden Mobility-Pricing-Versuche durchführen. Es gehe nicht um eine Bestrafung von Pendlerinnen und Pendlern. Mobilität solle erschwinglich bleiben.
Mobility Pricing sei für den Bund in erster Linie ein Instrument zur Lösung von Kapazitätsproblemen und nicht zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Für Mobilität solle nicht mehr, sondern anders bezahlt werden. Vor dem Jahr 2030 komme Mobility Pricing in der Schweiz kaum, so Leuthard.
Der bernische Grosse Rat forderte am Mittwoch die Regierung auch auf, auf kantonseigene Modelle für Road Pricing und Mobility Pricing zu verzichten. Den entsprechenden Punkt der BDP-Motion überwies er noch knapper; mit 75 zu 70 Stimmen. Die Kantonsregierung fasste diese Forderung als kategorisches, langfristiges Nein zu solchen Pricing-Versuchen auf und bekämpfte es.
Der Regierungsrat sei zwar derzeit gegen die Teilnahme des Kantons Bern an einem Mobility-Pricing-Versuch, sagte die bernische Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin Barbara Egger-Jenzer im Rat. Solche Modelle seien aber prinzipiell interessant. Deshalb dürfe der Grosse Rat kein “kategorisches Denkverbot” erlassen, so Egger.
Derzeit nicht an einem Pilotversuch für Mobility Pricing teilnehmen wollte die Regierung, weil sie gemäss den Worten Eggers zu viele offene Fragen sieht. Es wäre gerade an den Kantonen und nicht am Bund, diese offenen Fragen zu klären, sagte sie weiter. Egger erinnerte den Rat daran, dass die Regierung bereit wäre, einen Pilotversuch mit Road Pricing im Grossraum Bern durchzuführen.
Die kantonale Verkehrsdirektorin zeigte sich auch überrascht über den Zeitpunkt der Vorstösse: Jegliche Pricing-Versuche bedürften nämlich – sowohl auf kantonaler als auch auf nationaler Ebene – einer Gesetzesvorlage, sagte sie. Der bernische Grosse Rat könne also sowieso mitreden.