Stadt Bern streicht 24 Prozent der Objekte aus ihrem Bauinventar

Die Stadt Bern hat ihr aus den 1980-er Jahren stammendes Bauinventar überarbeitet. Sie hat die Einträge überprüft, moderne Gebäude neu aufgenommen – und die Totalzahl der Objekte um 24 Prozent reduziert.

bern-473772_640Aus dem Inventar fallen sollen ganze Siedlungen, wie Stadtpräsident Alexander Tschäppät und Berns Denkmalpfleger Jean-Daniel Gross am Montag in Bern vor den Medien sagten. Es handelt sich beispielsweise um die Schlossmatt im Stadtteil Holligen, die Siedlung Jolimontweg im Murifeld und das Wylerdörfli.

Ebenfalls nicht mehr als schützenswert oder erhaltenswert gelten künftig beispielsweise Einzelgebäude, welche im Innern stark verändert wurden. Es sind letztlich alle Gebäude, die aktuelle Fachkriterien nicht mehr erfüllen.

Neu aufgenommen werden soll hingegen etwa das Merzenackerquartier im Osten Berns, ein Siedlung aus modernen Beton-Gebäuden aus den 1980-er Jahren. Am kommenden Mittwoch macht die Stadt Bern auf ihrer Internetseite das revidierte Bauinventar “öffentlich bekannt”, wie sie das nennt.

Während zwei Monaten können Liegenschaftsbesitzer, Fachverbände und Interessierte nachschauen, welche Gebäude noch denkmalgeschützt sind. Die Stadt Bern will danach fachlich begründete Eingaben berücksichtigen und das Inventar bereinigen. Anschliessend müssen der Berner Gemeinderat und der Kanton Bern das Werk genehmigen.

Die Stadt Bern nahm 2012 die Revision ihres Bauinventars in Angriff, weil das kantonale Baugesetz periodische Überprüfungen fordert. Schon damals setzte sich die städtische Denkmalpflege das Ziel, den Bestand der inventarisierten Gebäude um einen Viertel zu reduzieren.

Bern habe damit einen Entscheid des bernischen Grossen Rats “faktisch vorweggenommen”, sagte Gross. Beschloss doch das Berner Kantonsparlament im Januar respektive Juni dieses Jahres, im ganzen Kanton Bern dürften künftig noch sieben Prozent aller Gebäude schützens- oder erhaltenswert sein. Heute sind es zehn Prozent.

In der Stadt Bern mit seiner von der Unesco geschützten Altstadt sind heute rund 5150 von total etwas über 20’000 Gebäuden inventarisiert, also etwa ein Fünftel der Gebäude. Von diesen rund 5150 Gebäuden soll nun ein Viertel, also etwa 1300 Gebäude, aus dem Inventar gestrichen werden.

Die Revision soll auch dazu dienen, die bisher teilweise von Quartier zu Quartier unterschiedlichen Beurteilungskriterien zu vereinheitlichen. Damit werde die Nachvollziehbarkeit für Eigentümer und für Planende erhöht, sagte Gross.

Er betonte vor dem Medien mehrfach, ausschliesslich fachliche Kriterien seien künftig ausschlaggebend für die Einstufung eines Gebäudes. Es seien mehr erhaltenswerte als schützenswerte Gebäude aus dem Inventar gefallen.

Inventarisator und Architekturhistoriker Daniel Wolf sagte, Bauinventare müssten eben auch mit der Zeit gehen. Er selber betrachte heute Gebäude, die er noch vor 30 Jahren als schützens- oder erhaltenswert erachtet habe, nicht mehr als solche.

Vier Jahre lang haben Fachleute an der Revision des städtischen Bauinventars gearbeitet. Ihnen zur Hand gingen auch etliche Zivildienstleistende, wie Tschäppät sagte. Der Berner Stadtrat bewilligte für die Arbeiten im Jahr 2012 einen Betrag von 1,1 Mio. Franken.

Neu eingeführt ins Inventar wird der Begriff der “Baugruppen” und “Strukturgruppen”. Sie ersetzen die Begriffe “Gebäudegruppen” und “Ensembles”.

Tschäppät sagte, die einen dürften sich nach der Aktualisierung des Bauinventars freuen, für andere werde es ein Wermutstropfen sein. Denn der Eintrag eines Gebäudes ins Bauinventar könne auch bedeuten, dass in der Nachbarschaft keine hässlichen Gebäude gebaut werden dürften.

Es werde nun spannend sein zu sehen, ob beispielsweise Fachverbände die Revision als zu streng betrachteten. Gross sagte, er schliesse Gegenreaktionen nicht aus. Die Fachverbände seien “hellhörig” geworden.

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