Rund um den Flughafen Zürich ist es in den vergangenen Monaten ruhig geblieben – doch jetzt flammt der Fluglärmstreit unvermittelt wieder auf: Die Zürcher Regierung und der Flughafen wollen zwei Pisten verlängern.
Mit längeren Lande- und Startbahnen könne die Sicherheit massgeblich verbessert werden, sagte Flughafen-CEO Stephan Widrig am Donnerstag an einer Medienkonferenz. Heute gebe es viele Kreuzungen am Boden und in der Luft, diese komplexe Verfahren könnten vereinfacht werden.
Der Zürcher Regierungsrat spricht sich grundsätzlich für den Ausbau aus. Sie hat ihre Vertreter im Flughafen-Verwaltungsrat angewiesen, das erforderliche Bewilligungsverfahren nicht zu blockieren, sondern zu unterstützen, wie Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh sagte. “Sicherheit kann man nicht aufschieben.”
Dank längeren Pisten werde auch der Flugbetrieb stabiler, führte Widrig weiter aus. Damit werde die Punktlichkeit erhöht und es gebe in den lärmsensiblen Nachtstunden weniger Verspätungen.
Zudem werde auch die Zahl der fluglärmbetroffenen Personen abnehmen. So müsste etwa abends der dichtbesiedelte Süden bei misslichen Witterungsbedingungen nicht mehr länger zusätzlich überflogen werden.
Denn heute können auf der kurzen Piste 10/28, die in der Regel abends für Ostanflüge genutzt wird, grosse Maschinen nicht landen, wenn sie zu nass ist. Diese Flugzeuge weichen auf den Südanflug aus. Mit einer Verlängerung in Richtung Westen (Rümlang) um 400 auf 2900 Meter könnte die Ost-West-Piste wetterunabhängig in Betrieb stehen.
Mit der geplanten Verlängerung der Piste 14/32 in Richtung Norden (Niederglatt/Höri) um 280 auf 3580 Meter liesse sich diese ebenfalls bei allen Wetterlagen von allen Flugzeugtypen für Starts nutzen. Ein Ausweichen auf die Piste 16/34, die mit ihren 3700 Metern die längste ist, aber die Ost-West-Piste kreuzt, würde entfallen.
Diese beiden geplanten Ausbauten bezeichnete Widrig am Donnerstag als kleine Optimierungen an den seit 45 Jahren unverändert bestehenden Pisten. Damit sei keine Erhöhung der Kapazitäten verbunden, es gehe um die Stabilisierung des heutigen Betriebs.
Das nehmen Fluglärmgegner dem Flughafen nicht ab: “Argumentiert wird mit Sicherheit – gemeint ist Kapazitätserweiterung”, kritisiert etwa “Fair in Air” in einer Mitteilung. Das heutige Pistensystem decke alle Bedürfnisse der Schweiz ab, nur nicht “den Grössenwahn der Flughafenverantwortlichen.”
Die Reaktionen der politischen Parteien fallen wenig überraschend auf: Die linke Seite kritisiert die Ausbaupläne des Flughafens, auf bürgerlicher Seite werden sie begrüsst.
Die Zeit für Ausbauphantasien sei definitiv vorbei, halten beispielsweise die Grünen auf die Klimakrise verweisend fest. Die SVP schreibt demgegenüber, dass der Flughafen Zürich für die internationale Anbindung ein wichtiges Drehkreuz sei und dank den Pistenverlängerungen konkurrenzfähig bleibe.
Die Flughafen Zürich AG rechnet mit Investitionskosten von 250 Millionen Franken. Dass sie ein solches Projekt mitten in der Coronakrise vorantreibt, die der Flugbranche weltweit die Flügel gestutzt hat, begründet Stephan Widrig mit den “langwierigen Prozessen”. Der Flughafenchef erwartet einen allfälligen Baubeginn nicht vor dem Jahr 2030.
Mit der Weisung an seine Verwaltungsratsmitglieder, das für die Pistenverlängerungen notwendige Plangenehmigungsverfahren beim Bund einzuleiten, hat der Regierungsrat einen Grundsatzentscheid gefällt.
Als nächstes wird sich der Kantonsrat mit dieser Weisung beschäftigen. Sowohl wenn er diese genehmigt als auch wenn er sie ablehnt, ist ein fakultatives Referendum und damit eine Volksabstimmung möglich.
Der heutige Betrieb auf dem Flughafen Zürich gilt wegen den sich kreuzender Pisten und den im Tagesverlauf wechselnden Betriebskonzepten als komplex. Eine Sicherheitsüberprüfung hatte bereits 2012 Handlungsbedarf aufgezeigt.
Entsprechende Massnahmen sind auch in den Planungsgrundlagen enthalten. So sind die beiden geplanten Pistenverlängerungen auch im Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt aufgeführt.