Der Nationalrat und die Vereinigte Bundesversammlung in Kürze

LANDWIRTSCHAFT: Zwei Initiativen wollen die Bauern zu mehr Umweltschutz zwingen. Der Nationalrat hat am Mittwoch die Diskussion über die Trinkwasser- und die Pestizidverbotsinitiative aufgenommen. Die Debatte ist noch nicht abgeschlossen, doch der Ausgang ist absehbar. Weder für die Initiativen noch für einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag dürfte sich eine Mehrheit finden. Es besteht zwar weitgehende Einigkeit, dass etwas unternommen werden muss gegen die hohen Schadstoffeinträge in Grund- und Fliessgewässer. Die bürgerlichen Parteien wollen jedoch auf dem vom Bundesrat eingeschlagenen Kurs bleiben. SP, Grünen und Grünliberalen ist das zu wenig verbindlich. Sie möchten eine Verfassungs- oder wenigstens eine Gesetzesänderung. Angesichts der alarmierenden Befunde der Wasserfachleute müsse etwas geschehen, sagten sie. Die Debatte wird am Donnerstag fortgesetzt.

BESCHAFFUNGEN: Bei der Totalrevision des öffentlichen Beschaffungsrechts haben sich die Räte auf einen Kompromiss geeinigt. Auf Antrag der Einigungskonferenz bleibt der “Heimatschutz-Artikel” im Gesetz, jedoch unter dem Vorbehalt der internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Die Bestimmung soll dafür sorgen, dass beim Zuschlag die Kaufkraftunterschiede in Ländern berücksichtigt werden, in welchen eine Leistung erbracht wird. Finanzminister Ueli Maurer hatte wiederholt darauf hingewiesen, dass die Bestimmung “ganz klar WTO-widrig” sei. Damit ist die Totalrevision des Beschaffungsrechts bereit für die Schlussabstimmungen. Diese ist nötig wegen einer Änderung des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA).

VERKEHR: Der Nationalrat hält an der Umfahrung Oberburg bei Burgdorf im Kanton Bern fest. Der Ständerat hat sich dagegen ausgesprochen, weil das Projekt noch nicht ausgereift ist. Es seien Optimierungen nötig, sagte Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga. Wegen dieser Differenz liegen die übrigen 34 Agglomerationsprogramme nun bis im Herbst auf Eis. Bereinigt hat der Nationalrat die Vorlage über den Ausbau des Nationalstrassennetzes. Die Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS), die Lückenschliessung der Zürcher Oberlandautobahn und den Muggenbergtunnel liess er fallen. Diese Projekte sind so wenig ausgereift, dass noch nicht einmal die Kosten bekannt sind. Damit stehen für Ausbau, Betrieb und Unterhalt des Nationalstrassennetzes insgesamt 13,8 Milliarden Franken zur Verfügung.

JAGDGESETZ I: National- und Ständerat arbeiten beim Jagdgesetz an einer Einigung. Unterschiedlicher Meinung sind sie sich noch bei der Frage, ob der Wolf in eidgenössischen Jagdbanngebieten gejagt werden darf. Der Nationalrat sprach sich mit 94 zu 89 Stimmen bei zwei Enthaltungen knapp dagegen aus. Offen ist zudem die Frage, ob Kantone Jagdprüfungen gegenseitig anerkennen müssen. Der Nationalrat findet schon. Zudem will der Nationalrat, dass Abschüsse das Kriterium erfüllen müssen, dass durch diese regional angemessene Wildbestände erhalten bleiben. Weiter fordert der Nationalrat, dass nicht nur Kantone, sondern auch “betroffene Kreise” angehört werden bei der Definition von Kriterien für Entschädigungen bei Wildschäden. Die Vorlage geht zur Differenzbereinigung zurück an den Ständerat.

JAGDGESETZ II: Der Nationalrat hat eine Standesinitiative des Kantons Thurgau abgeschrieben. Diese verlangte, dass das Jagdgesetz so angepasst wird, dass Bund und Kantone Schäden finanzieren, welche durch Biber an Infrastrukturen, Strassen, Kanalböschungen, Entwässerungen und Verbauungen entstanden sind. Gemäss Kommissionssprecher Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO) geht es dabei um rund eine Million Franken. Die Forderung sei bei der Revision des Jagdgesetzes aufgenommen worden. Die Standesinitiative könne daher abgeschrieben werden. Beim Jagdgesetz müssen noch Differenzen bereinigt werden. Zudem wird es womöglich ein Referendum geben.

UNTERNEHMEN: Inhaberaktien werden abgeschafft. National- und Ständerat haben sich auf die Regeln dazu geeinigt. Damit dürften sie verhindert haben, dass die Schweiz auf einer schwarzen Liste landet. Beide Räte stimmten dem Antrag der Einigungskonferenz zu. In diese musste das Geschäft wegen einer einzigen Differenz. Diese betraf die Frage, wie mit ungültig gewordenen Inhaberaktien umgegangen wird. Im Gesetz steht nun, dass die Aktionäre ihre mit den Rechten verbundenen Aktien verlieren. Die nichtigen Aktien werden durch eigene Aktien ersetzt. Die Einigungskonferenz hält in einer Notiz zuhanden der Materialien fest, dass durch die Umwandlung keine direkten Steuern und auch keine Registerabgaben fällig werden. Die genauen steuerlichen Konsequenzen sollen in einem Leitfaden ausgeführt werden.

FREIHANDEL: Der Nationalrat hat den Freihandelsabkommen mit der Türkei und mit Ecuador zugestimmt. Ein Teil des Rates hatte bei jenem mit der Türkei Bedenken wegen der dortigen Menschenrechtslage. Den Antrag auf Rückweisung an den Bundesrat lehnte der Nationalrat aber ab. Bei jenem mit Ecuador enthielt sich die Ratslinke der Stimme. Zudem lehnte die grosse Kammer bei beiden Abkommen das Einfügen eines institutionellen Mechanismus zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsbestimmungen, Arbeitsstandards, Menschenrechtsnormen und Bestimmungen zum Umweltschutz ab. Parallel zum Freihandelsabkommen mit der Türkei wird das bilaterale Landwirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und der Türkei revidiert. Die Abkommen sind bereit für die Schlussabstimmungen.

GERICHTE: Die Bundesversammlung hat mit 151 von 173 gültigen Stimmen die deutschsprachige CVP-Kandidatin Julia Hänni als Nachfolgerin des SVP-Richters Peter Karlen ans Bundesgericht gewählt. Der Kandidat, mit welchem sich die SVP die Stelle sichern wollte, zog sich kurzfristig zurück. Für die Stelle des Richters in französischer Sprache wurde Bernard Abrecht (SP) gewählt mit 157 von 173 gültigen Stimmen. Er übernimmt die Stelle von Jean-Maurice Frésard (SP). Frésard und Karlen treten per 30. Juni 2019 zurück. Gewählt wurde Monika Galliker – mit 209 von 209 Stimmen – als nebenamtliche Richterin italienischer Sprache am Bundesstrafgericht für den Rest der Amtsperiode 2016 bis 2021. Die Bundesversammlung bestätigte zudem die stellvertretenden Bundesanwälte Ruedi Montanari und Jacques Rayroud mit je 207 von 233 gültigen Stimmen im Amt für die Periode 2020 bis 2023.

Traktanden des Nationalrats für Donnerstag, 20. Juni, 08:00 bis 13:00 und 15:00 bis 19:00:

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