Vom ehemaligen Munitionslager der Armee in Mitholz im Berner Oberland geht ein für die Bevölkerung nicht akzeptables Risiko aus. Eine am Montag publizierte Zweitbeurteilung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) bestätigt die Einschätzung des VBS.
Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) war 2018 in einer Risikoanalyse zum Schluss gekommen, dass vom 1947 bei einer Explosion verschütteten Munitionslager der Armee in Mitholz BE eine grössere Gefahr ausgeht als bisher angenommen. In den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel liegen noch rund 3500 Bruttotonnen Munition mit mehreren hundert Tonnen Sprengstoff.
Als zuständige Fachstelle in der Störfallverordnung überprüfte das BAFU nun die Risikoanalyse des VBS. Für die Begutachtung des “sehr komplexen” Mitholz-Dossiers zog das BAFU externe Experten des deutschen Fraunhofer-Institutes für Kurzzeitdynamik bei.
Das Fraunhofer-Institut prüfte zuerst die Szenarien des VBS und “befand diese für plausibel”, schreibt das BAFU. Das VBS war von zwei möglichen Szenarien ausgegangen: einer kleineren Explosion (eine Tonne Sprengstoff TNT), die alle 300 Jahre auftreten könnte und einem grösseren Ereignis (10 Tonnen TNT) alle 3000 Jahre.
Die deutschen Fachleute prüften auch noch andere Szenarien, “um die Bandbreite der möglichen Gefährdungen abzustecken.” Nach Ansicht der Experten könnte als Obergrenze auch noch ein 20-Tonnen-Szenario mit einem anderen Ereignisablauf möglich sein.
Laut BAFU zeigen die Berechnungen insgesamt ähnliche Risiken wie bei den VBS-Szenarien, die Gefährdungsbereiche könnten räumlich aber anders verteilt sein. Diese Erkenntnisse seien in der Massnahmen- und Notfallplanung zu berücksichtigen und das Risiko “mindestens in den akzeptablen Bereich zu senken”.
Das VBS sieht sich durch die BAFU-Beurteilung in seinen Arbeiten zur Risikominderung bestärkt, wie es seinerseits mitteilte. Die bereits eingeleiteten Massnahmen hätten sich als richtig erwiesen. Die Bevölkerung wurde am Montagabend in Mitholz über das Gutachten und dessen Folgen informiert.
Zur Erarbeitung von Massnahmen setzte der Bund im August 2018 ein Expertenteam ein. Es soll bis 2020 nach Möglichkeiten suchen, das Risiko einer neuen Explosion zu beseitigen oder zumindest zu senken.
Als Grundlage für weitere technischen Untersuchungen wurde ein digitales 3D-Modell erstellt. Die Experten von armasuisse führten zudem laufen Untersuchungen an einzelnen Munitionsstücken durch.
Das VBS prüft auch den Einsatz eines Roboters oder ferngesteuerten Baggers zur Bergung der verschütteten Munition, wie es anfangs Jahr bekannt machte. Ein Prototyp könnte in ein bis zwei Jahren vorliegen.
Zudem wurde die Überwachung des Munitionslagers verstärkt – mit Video- und Wärmebildkameras sowie Sensoren, die austretende Gase messen. Die Bevölkerung erhielt ein Merkblatt für den Fall einer Explosion oder einer Evakuierung.
Der Kanton Bern erarbeitete eine Notfallplanung und gab Ende 2018 bekannt, dass er eine einspurige Notumfahrung plant. So soll ein bestehender Flurweg links der Kander zur asphaltierten Strasse ausgebaut werden. So könnten nach einer Explosion auch Lastwagen und Busse das Schadengebiet umfahren.
1947 vernichteten drei grosse Explosionen etwa die Hälfte der in Mitholz eingelagerten 7000 Bruttotonnen Munition. Neun Menschen starben, als herumfliegende Felsbrocken Häuser trafen, sieben Menschen wurden verletzt und 200 verloren ihr Obdach.
Bei einer Informationsveranstaltung vom Herbst 2018 machten die heutigen Einwohnerinnen und Einwohner von Mitholz deutlich, dass sie eine vollständige Räumung des Munitionslagers erwarten.