Vor 25 Jahren sagte das Schweizer Stimmvolk überraschend Ja zur Alpeninitiative und krempelte damit die Verkehrspolitik um. Die Urheber sehen ihre Arbeit noch lange nicht getan und wollen künftig ihren Fokus mehr auf den Klimawandel und den CO2-Ausstoss legen.
Obwohl das Ziel der Alpeninitiative, den Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern, auch nach 25 Jahren noch nicht ganz erreicht ist, ist Präsident Jon Pult zufrieden.
Unter dem Strich sei die Alpeninitiative eine sehr erfolgreiche Volksbewegung von unten, sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. “Trotz Schönheitsfehlern ist das Glas halb voll, nicht halb leer.”
Der Alpenschutzartikel, dem die Stimmberechtigten am 20. Februar 1994 zustimmten, verlangt, dass das Alpengebiet vor dem Transitverkehr zu schützen ist. Das Gesetz sieht vor, dass zwei Jahre nach Eröffnung des Gotthard-Basistunnels – also ab 2018 – lediglich 650’000 Lastwagen pro Jahr die Alpen queren. Dieses Ziel wird zwar noch verfehlt.
Als klaren Erfolg verbucht die Alpeninitiative aber, dass wieder weniger Lastwagen durch die Schweizer Alpen fahren. Von 1980 bis 2001 stieg die Zahl der Lastwagenfahrten von sehr wenigen auf bis zu 1,4 Millionen pro Jahr. Heute sind es weniger als eine Million, Tendenz sinkend.
Ganz anders an den Alpenübergängen zwischen Österreich und Italien: Heute fahren pro Jahr über 2 Millionen Lastwagen allein über den Brenner – mehr als doppelt so viele wie an den vier wichtigen Schweizer Alpenübergängen am Gotthard, am San Bernardino, am Simplon und am Grossen Sankt Bernhard zusammen.
Mehr als 70 Prozent der Transitgüter rollen in der Schweiz per Eisenbahn durch die Alpen. Die Kapazität der Schiene ist allerdings noch nicht ausgereizt. Um mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, fordert die Alpeninitiative seit Jahren, dass der Bundesrat die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) auf das Maximum erhöht.
Damit wäre die Schiene preislich konkurrenzfähiger, so Pult. Die Alpeninitiative geht beim Strassentransport von externen Kosten von 1,5 Milliarden pro Jahr aus, die von der Allgemeinheit getragen werden. Da herrschten ungleiche Spiesse.
“Mittelfristig müsste bei der Berechnung der LSVA auch der CO2-Ausstoss der Lastwagen berücksichtigt werden”, verlangt Pult weiter. Dieser habe sich seit den 1990er-Jahren nämlich kaum verringert.
Davon will freilich der Nutzfahrzeugverband Astag nichts wissen. Dies würde nur den Strassenverkehr verteuern, was am Ende auf die Kundschaft abgewälzt werden dürfte, sagte Astag-Zentralpräsident Adrian Amstutz.
Der Strassentransport habe die Verlagerungspolitik seit 2001 durch die Entrichtung der LSVA in Milliardenhöhe geschultert. Weitere “Schikanen” gegen Strassentransportunternehmen könnten nicht das Hauptproblem der fehlenden Schienenkapazitäten in Deutschland und Italien lösen. “Dort liegen die Bremsklötze”, so Amstutz weiter.
Auch eine Alpentransitbörse lehnt der Astag weiterhin klar ab. Diese propagiert die Alpeninitiative als weiteren Förderungsmechanismus für die Schiene. Ein Staat würde dabei eine begrenzte Anzahl Transitrechte vergeben. Diese Rechte würden online gehandelt. Je grösser die Nachfrage, desto höher der Preis.
“Eine Alpentransitbörse wäre ein Game Changer für den ganzen Alpenraum”, ist Pult überzeugt. Der Bundesrat habe in der Sache allerdings nie das Gespräch mit der EU gesucht. “Wir haben die Hoffnung, dass bei der neuen Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga die Verlagerungspolitik ein höheres Gewicht geniesst als unter ihrer Vorgängerin Doris Leuthard.”
Wachsam bleiben will die Alpeninitiative auch bezüglich der zweiten Röhre im Gotthard-Strassentunnel, die ab 2020 gebaut wird. Die neue Röhre dürfe nur der Sanierung und der Sicherheit und nicht einer Kapazitätsausweitung dienen, so wie der Bundesrat es vor der Volksabstimmung versprochen habe. “Ich bin optimistisch, dass die zweite Röhre keine Ausweitung bringt”, so Pult.
Künftig wollen die Vertreterinnen und Vertreter der Alpeninitiative ihre Mission, die Alpen vor den negativen Folgen des Transitverkehrs zu schützen, denn auch etwas breiter auslegen. “Es zeigt sich, dass das grösste Problem für die Alpen der Klimawandel mit dem damit verbundenen Gletscherschwund ist”, sagte Pult.
“Wir wollen dafür sorgen, dass der alpenquerende Verkehr einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz leistet”, sagte Pult. Hier gehe es darum darauf hinzuarbeiten, dass der CO2-Ausstoss verringert wird.