SBB erwägen Beschwerde bei Aufteilung der Fernverkehrs-Konzession

Die SBB wollen Beschwerde erheben, falls das Bundesamt für Verkehr (BAV) wie beabsichtigt zwei Fernverkehrslinien an die BLS überträgt. Was auf den ersten Blick wie eine kleine Veränderung aussehe, sei ein Systemwechsel, der nicht mehr rückgängig gemacht werden könne, machen sie geltend.

Mit den zwei Linien würde die BLS zwei Prozent des Fernverkehrs der Schweiz bedienen. Zurzeit sind die SBB allein für den Fernverkehr verantwortlich, und sie möchten dies auch bleiben. Man könne zwar nicht sagen, dass Wettbewerb keine Vorteile hätte, sagte SBB-Chef Andreas Meyer am Freitag vor Medien in Bern. “Die Risiken sind aber beträchtlich.”

Eine Fragmentierung des Fernverkehrs würde dazu führen, dass betriebliche Synergien nicht mehr genützt werden könnten und die Kundeninformation verschlechtert würde, schreiben die SBB. Gefährdet wäre ihren Angaben zufolge auch die Ambition, die Preise bis mindestens 2020 stabil zu halten.

Sollte es zu einer Vergabe der Linien Bern-Biel und Bern-Olten SO an die BLS kommen, würden die SBB dagegen Beschwerde erheben. Eine solche würde über das Bundesverwaltungsgericht führen.

“Es stellt sich ausserdem die Frage, ob die geplante Übertragung der Linien an die BLS willkürlich erfolgt ist”, sagte Meyer. Man habe deshalb Akteneinsicht verlangt. Die SBB blieben aber gesprächsbereit mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und der BLS.

Die SBB selber schlagen eine Mehrbahnenlösung unter einer einheitlichen Fernverkehrskonzession der SBB vor. Eine solche sei bereits mit der Kooperation zwischen der Südostbahn und den SBB geplant.

Auch die vom BAV vorgeschlagenen neuen Regeln für die zukünftige Vergabe von Fernverkehrslinien kritisieren die SBB scharf. “Es sind klein scheinende, aber doch gravierende Veränderungen”, sagte Meyer. Für die SBB sei eine Gesamtschau zu den Risiken, Potenzialen und Nebenwirkungen dringend notwendig.

Im höchstbelasteten Mischverkehrsnetz würde ein solcher Eingriff höhere Preise und eine schlechtere Qualität im Bahnangebot bedeuten, argumentieren die SBB.

Kritisiert werden von den SBB auch die neuen Finanzierungsregeln. Das BAV will die Umsatzrendite decken und den Deckungsbeitrag zur Finanzierung der Infrastruktur erhöhen. Diese Anpassungen griffen deutlich in das aktuelle ÖV-Finanzierungssystem und ins Geschäftsmodell der SBB ein, schreiben die SBB.

Ausserdem führten solche Vorgaben zu Fehlanreizen, wie man sie heute im regionalen Personenverkehr beseitigen möchte, warnte Meyer: “Wenn jemand sagt, dass du alles abgeben musst, was du über einer gewissen Umsatzrendite erwirtschaftest, bremst dies den Unternehmergeist.”

Diese Anpassungen seien zu Beginn der Ausschreibung nicht bekannt gewesen und veränderten damit auf unzulässige Art und Weise die Rahmenbedingungen im laufenden Ausschreibeverfahren. “Die Spielregeln werden während dem Spiel geändert”, beanstandete Meyer. Die Anpassungen führten auch zu einer Ungleichbehandlung von BLS und SBB.

Der höhere Deckungsbeitrag würde nach Einschätzung der SBB ab 2020 bei den SBB Mehrkosten von rund 100 Millionen Franken pro Jahr verursachen. “Wir werden uns überlegen müssen, wie wir diese Mehrkosten verkraften können”, sagte Toni Häne, Leiter Personenverkehr. Zu spüren bekämen dies die Kunden: “Wir würden die Anzahl Sparbillette reduzieren müssen”, sagte Häne.

Risiken sehen die SBB auch in der Öffnung des internationalen Personenverkehrs und der Vertriebssysteme, über die derzeit diskutiert wird. Dadurch könnten ausländische Bahnen zukünftig in den Schweizer Binnenmarkt eintreten.

In einem solchen Wettbewerb würden die kleinen Bahnen der Schweiz von den grossen europäischen Bahnunternehmen in eine Nebenrolle gedrängt, befürchten die SBB. Gewinne von rentablen nationalen Linien würden ins Ausland abfliessen, den Schweizer Bahnen blieben vor allem die unrentablen Linien.

Die BLS nahm noch nicht Stellung. Die BLS analysiere Vorschlag des BAV, sagte BLS-Sprecherin Helene Soltermann auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Zu den von den SBB kommunizierten Zahlen äusserte sich die BLS nicht. Man sei allerdings überzeugt, dass das Fernverkehrssystem auch dann weiter funktionieren werde, wenn andere Unternehmen Konzessionen erhielten.

Wie die SBB befürchtet auch die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV mit der Aufteilung der Konzession im Fernverkehr einen “schleichenden Paradigmenwechsel” zu einem schädlichen Wettbewerb, wie es in einer Mitteilung des SEV heisst. Die Gewerkschaft kritisiert allerdings die Reaktion der SBB auf den Vorschlag des BAV und die Androhung einer Beschwerde. Man poche weiterhin auf eine kooperative Lösung zwischen den beiden Bahnen, schreibt die Gewerkschaft.

Das Bundesamt für Verkehr hatte in einer Anhörung vorgeschlagen, der BLS ab Dezember 2019 den Betrieb der Fernverkehrslinien Bern-Biel und Bern-Olten SO zu übertragen. Die BLS hatte zusätzlich auch die Konzession für die Intercity-Linien Interlaken-Bern-Basel und Brig-Bern-Basel sowie die neu ins Fernverkehrsnetz aufgenommene Strecke Bern-La Chaux-de-Fonds beantragt.

Die Vorschläge des BAV gehen bis am 23. Mai in die Anhörung bei Kantonen, Verkehrsverbünden und Unternehmen. Mitte Juni will das BAV die Fernverkehrskonzessionen definitiv vergeben.

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