Nach Jahrzehnten erfolgreicher Internationalisierung sehen Europas Autobauer wegen des Handelsstreits mit den USA ihr Geschäft in Gefahr. “Die grössten Fabriken einiger europäischer Konzerne stehen in den USA, nicht in der EU”, sagte der Generalsekretär des Branchenverbands ACEA, Erik Jonnaert, am Dienstag.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Autobranche ist auf beiden Seiten des Atlantiks gross. Zehn Prozent des gesamten Handels zwischen EU und USA entfallen auf Kraftfahrzeuge.
Auf dem Autosalon in Genf mahnten deshalb viele Manager zur Besonnenheit: Ruhig reagieren und Gespräche anbieten, riet etwa VW-Chef Matthias Müller. Selbst der für markige Worte bekannte Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne sagte: “Wir müssen warten, bis der Lärm aufhört.”
Der Chef des französischen PSA-Konzerns und Vorsitzende des europäischen Autoverbandes Acea, Carlos Tavares, sagte, Trump äussere seine Meinung stets sehr deutlich. Aber das müsse nicht heissen, dass alles auch so komme. “Zwischen einer Verhandlungsposition und einer endgültigen Entscheidung gibt es einen Unterschied”, betonte der Lenker des Konzerns mit Marken wie Peugeot, Citroën und Opel in Genf.
Jedes fünfte in Deutschland oder Italien gebaute Auto wird in den Vereinigten Staaten verkauft. Weil es sich oft um teure Modelle handelt, liegt der wertmässige Anteil des US-Geschäfts noch höher: bei knapp einem Drittel. US-Präsident Donald Trump hatte vergangene Woche Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte angekündigt.
Falls die EU ihrerseits mit neuen Zöllen reagieren sollte, wären auch Abgaben auf Autos möglich, ergänzte er am Wochenende. Mit ähnlichen Drohungen hatte Trump die Autobranche schon in der Vergangenheit in Aufruhr versetzt – und so für mehr öffentlich zur Schau gestelltes Engagement in den USA gesorgt. Die EU-Kommission will nun am Mittwoch über die nächsten Schritte beraten.
“Die Wirtschaft ist über die vergangenen zehn, zwanzig Jahre in Richtung Globalisierung gesteuert worden”, sagte VW-Chef Müller. Der Vertriebsvorstand der Kernmarke, Jürgen Stackmann, erläuterte, das vernetzte Produktionssystem der Branche funktioniere nur mit weltweiter Stabilität und freiem Handel.
Auf allen Kontinenten würden Teile und Komponenten gefertigt, “und wir brauchen natürlich Austausch zwischen den Regionen”. Deshalb sei es von grossem Interesse, “Hürden zwischen den einzelnen Wirtschaftsräumen nicht zu erhöhen.” Konzernchef Müller sagte, was an der Idee von Zöllen gut oder schlecht sein könne, müsse man in einer gemeinsamen Diskussion herausfinden. “Dann müssen die grossen Firmen analysieren, welche Schlussfolgerungen sie daraus ziehen.”
BMW-Chef Harald Krüger vertraut im Falle von US-Zöllen auf Autoimporte auf die eigene Produktion in den Vereinigten Staaten. Weil BMW viele Modelle in seinem Werk in Spartanburg im Bundesstaat South Carolina produziere, sei der Konzern in einer besseren Position als die Wettbewerber.
Krüger gab aber zu bedenken: “Sollten wir Zollschranken bekommen, hat das auch Einfluss auf Arbeitsplätze in den USA.” Fiat-Chrysler-Chef Marchionne nannte die hitzige Debatte “nicht hilfreich”. Sie mache Gespräche über die Zukunft der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta kompliziert. Die Debatte stelle Mexiko und Kanada als Investitionsorte in Frage.
US-Präsident Trump zeigte sich von Mahnungen und innenpolitischem Druck unterdessen unbeeindruckt: “Wir geben nicht nach”, sagte Trump am Montag (Ortszeit) in Washington. Zuvor hatten führende Vertreter seiner Republikanischen Partei wie auch Wirtschaftsvertreter gefordert, auf die geplanten Zölle zu verzichten.
“Wir sind sehr besorgt über die Folgen eines Handelskriegs und drängen das Weisse Haus, diesen Plan nicht weiter zu verfolgen”, erklärte eine Sprecherin von Paul Ryan, dem Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. “Das neue Steuerreformgesetz hat die Wirtschaft angekurbelt, und wir wollen diese Gewinne sicherlich nicht gefährden.”
Der Republikaner Ryan kommt aus dem Bundesstaat Wisconsin, wo der Motorradbauer Harley-Davidson beheimatet ist, den die Europäische Kommission für den Fall von Zöllen mit Gegenmassnahmen treffen will. Ausser Motorrädern könnten auch Whiskey, Orangensaft, Mais, Jeans und andere Kleidung oder Kosmetik betroffen sein.
Insgesamt stehen auf der EU-Liste US-Produkte im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Unmittelbar verhängen wird die Brüsseler Behörde die Strafabgaben aber nicht. Vorher muss Trump die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte wirklich umsetzen. Bisher gibt es nur Drohungen. Nichtsdestotrotz werden die EU-Kommissare bei ihrem nächsten regulären Treffen am Mittwoch über das weitere Vorgehen beraten.