Über 700 Einsprachen gegen neue Grundbucheinträge in Grindelwald

In Grindelwald sollen alle Grundstückseinträge im Grundbuch mit dem Vermerk “Rutschgebiet” ergänzt werden. Dagegen regt sich bei den Grundeigentümern Widerstand: Zwischen 700 und 800 Einsprachen sind dagegen eingegangen.

eiger-528738_640Der Grindelwalder Gemeindepräsident Christian Anderegg bestätigt einen entsprechenden Bericht der “Jungfrau Zeitung” gegenüber der Nachrichtenagentur sda. “Die Grundbesitzer befürchten eine Wertminderung ihrer Liegenschaft”, sagt er.

Wie Anderegg ausführt, sei die Gemeinde vom Widerstand etwas überrumpelt worden. “Der Kanton hat uns gesagt, dass sich für die Liegenschaftsbesitzer durch den Vermerk eigentlich nichts ändert.”

Tatsächlich profitierten Grundbesitzer gar vom entsprechenden Vermerk im Grundbuch, führt Thomas Hardmeier, Leiter des kantonalen Amts für Geoinformation, auf Anfrage aus. “Einzelne Gebiete in Grindelwald bewegen sich jährlich bis zu 30 Zentimeter”, sagt er.

Doch grundsätzlich bewirkten Bodenverschiebungen keine Änderung von Grenzen. So sei etwa möglich, dass sich ein Gebäude über die verbindlichen Grenzen ins Nachbargrundstück bewegt. “Das kann rechtliche Probleme nach sich ziehen.”

Mit dem Vermerk “Rutschgebiet” sorge man dafür, sagt Hardmeier weiter, dass nicht die Koordinaten Gültigkeit haben, sondern die Grundstückgrenzen im Gelände bestimmt werden. Mit anderen Worten: Die Grenze eines Grundstück wird dann effektiv über Grenzsteine und Zäune bestimmt – denn diese bewegen sich zusammen mit dem Grundstück.

Wie sich ein Rutschgebiet auf den Wert der Grundstücke auswirkt, ist schwierig abzuschätzen. Hardmeier verweist auf ein Beispiel aus St. Moritz, wo sich ein entsprechender Vermerk nicht wertmindernd ausgewirkt habe.

“Der Wert kann sich allenfalls mindern, weil ein Gebäude oder eine Liegenschaft rutscht oder sich bewegt – das ist aber unabhängig davon, ob das Grundbuch den Vermerk ‘Rutschgebiet’ enthält”, sagt Hardmeier.

Schliesslich müsse bei einem Verkauf eines Grundstücks der Käufer sowieso darüber informiert werden, dass das Gebäude in einem Rutschgebiet liege. “Sonst wäre es ein Verstoss gegen Treu und Glauben.”

Amtsleiter Hardmeier verteidigt die Regelung zwar, Urheber dafür ist aber nicht der Kanton. Dass Rutschgebiete im Grundbuch gekennzeichnet werden müssen, basiert auf einem Artikel im Zivilgesetzbuch, welcher 1994 eingefügt wurde.

In Grindelwald haben aktuelle Vermessungen gezeigt, wie stark die einzelnen Gebiete rutschen. In der Gemeinde Lenk im Simmental weiss man davon schon länger. Dort existieren in der Bauzone ebenfalls zwei “Rutschgebiete”. Die entsprechenden Einträge im Grundbuch wurden bereits vor knapp zehn Jahren getätigt, wie Jakob Trachsel, der Bauverwalter der Gemeinde, auf Anfrage ausführt.

Mit Widerstand hatte die Gemeinde damals nicht zu kämpfen. “Vielleicht hat die Änderung damals gar niemand richtig realisiert”, sagt Trachsel. Doch auch in der Folge seien keine negativen Stimmen zu ihm gedrungen. “Es hat sich noch nie jemand beschwert wegen des Eintrags.” Auch von Wertminderungen oder Problemen bei Verkäufen aufgrund dieses Vermerks habe er noch nichts gehört.

Wie viele Rutschgebiete es im Kanton Bern gibt, lässt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Vor allem im Oberland bestehen noch grosse Vermessungslücken. Hardmeier schätzt, dass es nur sehr wenige sind.

Wie es nun in Grindelwald weitergeht, ist offen. Der Gemeinderat trifft sich am nächsten Dienstag mit Vertretern des Kantons. “Es geht darum abzuklären, was ein solcher Vermerk für einen Einfluss etwa auf die Versicherungen hat”, sagt Gemeindepräsident Anderegg.

Zudem liefen weitere Messungen. “Wir wollen einfach die Sicherheit haben, dass wirklich alle Grundstücke den Vermerk benötigen”, sagt Anderegg.

Dass es nun zu solch zahlreichen Einsprachen gekommen ist, dazu hat auch Anderegg selber beigetragen. “Ich habe den Liegenschaftsbesitzern empfohlen, Einsprache zu tätigen”, sagt er. Dies, weil so die Grundlage für Gespräche mit dem Kanton geschaffen werden.

Grundsatzkritik am Bundesgesetz äussert der Gemeindepräsident aber nicht. “Das entsprechende Gesetz wurde nicht ohne Grund erlassen – Transparenz ist wohl nötig.”

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