Der Kanton Bern verzichtet auf eine vom Bund ermöglichte Erhöhung der Wasserzinsen. Damit will er den gebeutelten Wasserkraftwerken etwas unter die Arme greifen. Das Berner Kantonsparlament segnete am Mittwoch eine entsprechende Änderung des Wassernutzungsgesetzes ab.
Dabei ging der bernische Grosse Rat sogar noch einen Schritt weiter als die Regierung. Nicht nur Grosskraftwerke sollen in den Genuss dieser Regelung kommen, sondern auch kleinere und mittlere, sofern sie nicht von der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) profitierten. Den Kanton kostet dies pro Jahr über vier Millionen Franken.
Damit würden “Subventionen nach dem Giesskannenprinzip” verteilt, kritisierten die Gegner, die sich vor allem im links-grünen Lager fanden. Doch sie standen letztlich auf verlorenem Posten.
Der Verzicht auf eine Erhöhung der Wasserzinsen dürfte nicht von allen Kantonen gerne gesehen werden, denn vom Berner Entscheid könnte präjudizielle Wirkung ausgehen.
Die Einnahmen aus den Wasserzinsen werden in den Kantonen unterschiedlich verteilt. Während sie in Bern in die Staatskasse fliessen, gehen sie in anderen Kantonen an die Gemeinden und fliessen so direkter ins Berggebiet. Für die Gemeinden dort sind sie eine wichtige Einnahmequelle.
Während die Schweizer Wasserkraftwerke lange Renditeperlen waren, sind sie in den letzten Jahren wegen tiefen Strompreisen im europäischen Markt unter Druck geraten. Subventionen namentlich in Deutschland führen dazu, dass einheimische Wasserkraft nicht rentabel ist.
Besonders hart treffe es die grossen Kraftwerke, die am europäischen Markt agierten, betonte die bernische Energiedirektorin Barbara Egger am Mittwoch im Kantonsparlament.
Die Regierung hatte sich ursprünglich noch gegen das Anliegen gestellt. Andere Kantone hätten kein Verständnis, wenn der am Tropf des Finanzausgleichs hängende Kanton Bern freiwillig auf höhere Einnahmen verzichte, hiess es damals.
Unterdessen hat sich die Lage aber weiter verschärft. So mussten die Kraftwerke Oberhasli jüngst den Abbau von 50 Stellen ankündigen. Dies sei für die Bergregion etwa ähnlich schlimm, wie wenn in der Region Bern mehrere hundert Stellen abgebaut würden, führte Egger aus.
Ausserdem habe der Stromkonzern Alpiq angekündigt, die Hälfte seiner Wasserkraftwerke abstossen zu wollen. “Diese Warnsignale müssen wir ernst nehmen”, forderte Egger.
Weiter beschloss das Kantonsparlament, dass Kraftwerke bei Ausbauprojekten von übergeordnetem Interesse zeitlich begrenzt entlastet werden können. Diese Senkung ist an verschiedene Bedingungen geknüpft.
Die Regelung dürfte aktuell vor allem für ein von den Kraftwerken Oberhasli (KWO) ins Auge gefasstes Projekt beim Gletschersee an der Trift im Sustengebiet von Interesse sein.
Auch Kraftwerke in einer finanziellen Notlage können neu zeitlich begrenzt entlastet werden.
Die Beschlüsse für Wasserzinssenkungen für Ausbauten und in Notlagen soll jeweils das Berner Kantonsparlament fällen. Die Regierung wollte die Beschlüsse sogar vom Finanzreferendum ausnehmen.
Das führte zu einer hitzigen Debatte in der Debatte. SVP-Grossrat Patrick Freudiger fand das Vorhaben demokratiepolitisch äusserst bedenklich. Die Regierung wolle quasi im Rahmen einer Gesetzesänderung zu Wasserzinsen verfassungsmässig garantierte Volksrechte aushebeln.
Und für einmal hatte die SVP bemerkenswerte Gesellschaft, denn sogar die SP schloss sich der Argumentation an. Egger beteuerte, dass die Regierung keine Volksrechte aushebeln wollte. Vielmehr habe man sicherstellen wollen, dass allfällige Beschlüsse des Parlaments zügig umgesetzt würden, was ja bei Kraftwerken in einer finanziellen Notlage durchaus nicht abwegig wäre.
“Wenn wir gewusst hätten, dass wir im Parlament eine Debatte über Volksrechte vom Zaun reissen, hätten wir den Passus nie vorgeschlagen”, sagt die Sozialdemokratin Egger und empfahl letztlich dem Rat, auf SVP-Kurs einzuschwenken.
Der bernische Grosse Rat nahm die Änderungen des Wassernutzungsgesetzes schliesslich mit 129 zu 4 Stimmen bei 8 Enthaltungen an. Auf eine zweite Lesung wird verzichtet.