Prozessieren statt bauen: Raduner-Areal in Horn beschäftigt Justiz

Das mit giftigen Chemikalien belastete Raduner-Areal an bester Wohnlage direkt am Bodensee in Horn TG beschäftigt die Justiz weiter. Die konkursite Textilfirma bestreitet, dass sie für die Sanierungskosten in der Höhe von rund 23 Millionen Franken aufkommen muss.

balance-1300335_640Das 44’000 Quadratmeter grosse Raduner-Areal, wo vor einem knappen Jahr ein Grossbrand wütete, liegt an bester Lage direkt am Bodensee. Die Industriebrache ist viel Geld wert, denn sie liegt in der Wohn- und Gewerbezone und dürfte mit dreigeschossigen Wohnhäusern bebaut werden.

Allerdings muss der Boden des Areals zuerst saniert werden, weil das Grundstück der ehemaligen Textilfabrik seit Jahrzehnten mit giftigen Chemikalien belastet ist. Beim Brand entstanden zusätzliche Giftstoffe. Eine Sanierung sei dringend nötig, sagte der Rechtsvertreter des Thurgauer Amts für Umweltschutz am Freitag vor dem Bezirksgericht Arbon.

Die geschätzten Sanierungskosten von insgesamt 22,8 Millionen Franken müsse die Verursacherin tragen. Die konkursite Firma wolle die Kosten jedoch den Steuerzahlern aufbürden und wehre sich seit zehn Jahren mit sämtlichen Rechtsmitteln gegen die Sanierungspflicht, sagte der Anwalt.

Am Freitag ging es vor dem Bezirksgericht Arbon um eine sogenannte Kollokationsklage gegen den Kanton Thurgau und die Gemeinde Horn. Die Verhandlung hatte bereits im vergangenen Dezember begonnen und wurde auf Antrag der Beklagten unterbrochen und am Freitagnachmittag fortgesetzt.

Die Klage hatte der ehemalige Verwaltungsratspräsident der Raduner und Co. AG eingereicht, um die Sanierungskosten aus dem Kollokationsplan zu streichen. Ein Kollokationsplan listet im Konkursverfahren die Forderungen der Gläubiger nach Prioritäten auf.

Dem Kläger gehe es darum, dass sich im Rahmen der Sanierung des Raduner-Areals niemand bereichere, hatte der Rechtsvertreter der konkursiten Textilfirma zu Beginn der Verhandlung im vergangenen Dezember gesagt.

Die zu erwartenden Sanierungskosten basierten auf Schätzungen. Es handle sich um künftige Forderungen, welche zum Zeitpunkt des Konkurses noch gar nicht bestanden hätten. Diese könnten nicht kolloziert werden. Zudem hätten weder der Kanton noch die Gemeinde Horn bisher Anstalten zur Sanierung des Raduner-Geländes gemacht.

Die Anwälte des Kantons und der Gemeinde wehrten sich vehement gegen die Vorwürfe. Die Sanierung sei durch die konkursite Firma verhindert worden. In Wahrheit gehe es um viel Geld.

Der Kläger sei mitverantwortlich dafür, dass die Raduner und Co. AG kurz vor ihrem Zusammenbruch einen Teil des wertvollen Areals an ihren Alleinaktionär, die Firma Zaweb, “abgezügelt” habe. Mit diesem Unternehmen war der Kläger verstrickt. Später habe die Zaweb das Grundstück für 8,3 Millionen Franken weiterverkauft. Dieses Geld gehöre jedoch in die Konkursmasse der ansonsten völlig mittellosen Konkursitin.

Gegen das rechtswidrige “Abzügeln von Aktiven” wehren sich Kanton und Gemeinde mit einer paulianischen Anfechtungsklage im Kanton Zug, wo Zaweb ihren Sitz hat. Die Klage sei aber wegen der laufenden Kollokationsklage vor dem Bezirksgericht Arbon sistiert worden, sagte der Anwalt des Kantons. Das Bezirksgericht Arbon wird sein Urteil erst nach den Sommerferien bekannt geben, wie der Richter am Freitagnachmittag sagte.

Anfang August 2015 zerstörte ein Grossbrand einen Teil der noch bestehenden Fabrikhallen auf dem Raduner-Areal. Die Thurgauer Staatsanwaltschaft ermittelt seither wegen Brandstiftung.

Die Untersuchungen dauern noch an, wie Stefan Haffter, Sprecher der Thurgauer Staatsanwaltschaft, gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte. Ob gegen einen Verdächtigen, der vorübergehend in Untersuchungshaft war, weiter ermittelt wird, wollte Haffter mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht sagen.

X