Warnung vor Schwächung des Wirtschaftsstandortes Schweiz

Topmanager sind normalerweise mit Kommentaren zum allgemeinen politischen Geschehen eher zurückhaltend, doch kein Geringerer als der Verwaltungsratspräsident des Pharmakonzerns Novartis, Jörg Reinhardt, hat am Donnerstag eine Ausnahme gemacht. Auf der Mitgliederversammlung der Handelskammer Deutschland-Schweiz sprach er Klartext und mahnte die Politik, den Wirtschaftsstandort Schweiz nicht noch mehr zu gefährden.

financial-crisis-544944_640Die Stimmung im Land sei ohnehin wirtschaftskritisch, sagte der Novartis-Manager in Zürich. Dies spiegele sich etwa in den jüngsten Initiativen sowie der Zunahme an Regulierung wider.

Die Unklarheit bezüglich der Ausgestaltung der Unternehmenssteuerreform, das Tauziehen bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative sowie der ohnehin starke Franken hätten bereits strukturelle Verwerfungen für die Schweiz nach sich gezogen, mahnte Reinhardt. Die exportorientierte Maschinenindustrie habe seit Januar 2015 schon 3000 Stellen streichen müssen und die gesamte Volkswirtschaft der Schweiz habe an Dynamik verloren.

Die Entwicklung dürfte daher sowohl 2016 als auch 2017 hinter jene der USA, Deutschlands und Frankreich zurückfallen, auch weil ausländische Investoren vermehrt der Schweiz den Rücken kehrten oder Unternehmen das Land als möglichen Wirtschaftsstandort gar nicht mehr in Betracht zögen.

Seit der Annahme der Minder-Initiative wachse zudem der Katalog von Gesetzen und Verordnungen in der Schweiz jährlich um 5000 Seiten. Der Novartis-Manager machte den Aktivismus von Regulatoren am Donnerstag an kuriosen Beispielen deutlich: So müssten etwa Schweizer Hoteliers ihre Pool-Anlagen mit destilliertem Wasser säubern oder die SBB verordne, dass Passagiere der 2. Klasse nicht mehr durch die Abteile der 1. Klasse gehen dürften.

Gemäss dem Doing-Business-Index der Weltbank, welcher Auskunft über die nationalen Regulierungsbedingungen einzelner Länder gibt, liegt die Schweiz mittlerweile auf dem 26. Rang – weit hinter Staaten wie Dänemark, Singapur oder Südkorea zurück. Als Hauptursachen dafür hebt Reinhardt die stark steigende Regulierungswut der Behörden sowie die Akribie hervor, mit der die Bürokratie hierzulande durchgeführt wird.

Aber es steht offenbar viel auf dem Spiel. Die Schweiz tauscht allein mit der EU täglich Waren und Dienstleistungen im Wert von rund einer Milliarde Franken aus. Kämen hierbei wieder Handelshemmnisse etwa mit dem Verlust der Bilateralen zum Tragen, hätte dies weitreichende Konsequenzen für den Standort Schweiz, appellierte der Manager.

Zudem erschwere ein Wegfall der bilateralen Verträge die Rekrutierung von Fachkräften im Ausland. Die Schweiz sei allerdings als kleines Land dringend auf dieses Personal angewiesen. Novartis beschäftigt derzeit in der Schweiz allein rund 2000 Mitarbeiter aus dem grenznahen Gebiet in Deutschland. Der Manager deutete an, dass dieser Umstand ohne Bilaterale gefährdet sein könnte.

Die Schweiz brauche – so schloss Reinhardt zusammenfassend sein Referat – neben einem ungehinderten Zugang zu wichtigen Absatzmärkten und der Möglichkeit, internationale Fachkräfte sowie Wissenschafter zu gewinnen, auch steuerliche Begünstigungen von Innovationen, wie sie im Rahmen der sogenannten Patentboxen angedacht werden.

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