Block 1 des AKW Beznau geht frühestens Ende Jahr ans Netz

Der Block 1 des AKW Beznau im Kanton Aargau bleibt noch länger vom Netz als geplant. Die Betreiberin Axpo rechnet damit, dass der Reaktor Ende Jahr hochgefahren werden kann. Die Materialfehler im Reaktordruckbehälter seien nicht während des Betriebs entstanden, sondern stammten aus der Zeit der Herstellung von 1965.

Der Energiekonzern Axpo geht momentan davon aus, dass die Wiederanfahrgenehmigung des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) gegen Ende Jahr vorliegen wird. Bis dahin soll die Aufsichtbehörde alle Sicherheitsnachweise der Axpo, die noch nicht vollständig vorliegen, geprüft haben.

Der Block 1, der mit 47 Betriebsjahren älteste kommerzielle Reaktor der Welt, ist seit März 2015 vom Netz. Die grosse Revision sollte ursprünglich vier Monate dauern. Geplant war, den Reaktor im August 2015 wieder hochzufahren – jetzt wird er voraussichtlich mindestens 16 Monate stillstehen.

Die Kosten für den Ausfall der Stromproduktion und die aufwendigen Untersuchungen betragen bis Ende Jahr 200 Millionen Franken, wie Andy Heiz, Mitglied der Axpo-Konzernleitung, am Dienstag an einem Mediengespräch in Böttstein AG sagte.

Es würden nicht die betriebswirtschaftlichen Überlegungen im Vordergrund stehen, sondern die Sicherheit habe oberste Priorität. Der Reaktor werde nur wieder hochgefahren, wenn die Sicherheit der Anlage bewiesen sei.

Die Axpo trieb die Untersuchungen der im Reaktordruckbehälter im Sommer 2015 entdeckten rund 925 Materialfehler voran. Es sind fehlerhafte Materialstellen mit einer Grösse von 5 bis 6 Millimetern.

Diese Einschlüsse liegen fast ausschliesslich im oberen Kernring des Reaktordruckbehälters. Dieser Kernring ist der grössten Neutronenbestrahlung ausgesetzt.

Die vorgenommenen, verfeinerten Ultraschallmessungen bestätigten die bisherigen Befunde, sagte Mike Dost, Leiter des AKW Beznau. Diese seien nicht mit Befunden in belgischen AKW, unter anderem Doel 3, zu vergleichen.

Klar ist gemäss Axpo, woher die Materialfehler stammen. Sie seien nicht während des Betriebs des Reaktors entstanden, betonte Dost: “Wir wissen, was es ist.” Die Axpo-Verantwortlichen sprachen in diesem Zusammenhang von einer “guten Nachricht”.

Der Reaktordruckbehälter war 1965 in Frankreich geschmiedet worden. Bereits damals habe die Herstellerfirma bei der Prüfung einen kleinen Einschlussfehler im Material festgestellt, hielt Dost fest. Dieser bei der Abnahmemessung gefundene Fehler sei “absolut herstellungsbedingt”.

Der Einschluss sei eine Folge des Giessprozesses und der anschliessenden Verschmiedung. Der Einschluss gelte nach den damaligen und heutigen Reglementen als “akzeptabel”. Die Anzeigen hätten 1965 zu keinen Beanstandungen geführt. Die Axpo liess 10’000 Seiten der Herstellungsdokumentation auswerten.

Um weitere Untersuchungen und Abklärungen über die Folgen der Einschlüsse im Reaktordruckbehälter vornehmen zu können, suchen die Axpo-Verantwortungen sogenannte Teststücke. Diese stammen aus der Produktion des Druckbehälters oder aus anderen Anlagen.

Die Suche nach geeignetem Testmaterial habe sich zu einer kommerziellen, technisch und juristischen Herausforderung entwickelt, sagte Dost. Die Beschaffung der zusätzlichen Teststücke laufe weniger rasch ab als geplant.

Die Prozesse zur Auswertung der Teststücke könnten teilweise mehrere Monate dauern. Das ist der Hauptgrund, weshalb die Axpo noch mehr Zeit benötigt, um der Aufsichtsbehörde ENSI den geforderten Sicherheitsnachweis für das Wiederanfahren des Reaktors 1 einzureichen.

Die Axpo will gemäss Dost die Einzelberichte fortlaufenden dem ENSI zur Prüfung einreichen. Die Aufsichtsbehörde arbeitet mit internationalen Experten zusammen, um die Ausführungen der Axpo überprüfen zu können.

Der Zeitplan der Axpo sieht vor, dass bis Ende November alle Berichte beim ENSI liegen und dieses per 28. Dezember grünes Licht für das Anfahren des Reaktors gibt. Der Reaktor 2 in Beznau ist seit Ende 2015 nach dem Auswechseln des Deckels des Reaktordruckbehälters am Netz.

Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die Angaben des Energiekonzerns. Es blieben weiterhin viele offene Fragen, heisst es in einer Medienmitteilung. Axpo nehme die Schlussfolgerung zur Sicherheit der Anlage vorweg, obwohl die Überprüfungen noch im Gang seien. Axpo übe sich in “Zweckoptimismus”.

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